In aller Frühe wachte Meres am nächsten Morgen auf und sah sich um. Vom Lagerfeuer schwelte eine kleine Rauchwolke hoch und ein paar Meter entfernt lag ein Haufen aus Stoff und blauer Haut, von dem schnarchende Laute ausgingen. Stöhnend kämpfte Meres sich hoch und rieb sich den schmerzenden Rücken. Er ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen. In der Ferne sah er die Narne träge dahinfließen. Mit einem leichten Fußtritt weckte er Callem, der sofort kerzengerade saß und einen Dolch an Meres Fußgelenk hielt. Dieser sprang erschrocken zurück und grünes Feuer loderte in seinen Händen.
„Puh!“, riefen sie gleichzeitig und machten sich daran die Reste des Lagerfeuers zu vergraben, nachdem sie es gelöscht hatten.
Als sie aufbruchsbereit waren, sahen sie sich in die Augen. Der blaue Capitän und der Hexer aus Andor.
In Cavern.
„Herr! Ein Falke ist soeben mit einer wichtigen Botschaft von Königin Chada eingetroffen!“
Eines von Marts zahlreichen Kindern, die noch immer in Cavern lebten rannte die Gänge zu den königlichen Gemächern entlang, schwenkte ein Pergament und rief sich die Lunge aus dem Leib.
Die Tür zu Krams Raum wurde von innen aufgestoßen und der Fürst der Schildzwerge kam im Nachthemd, doch mit Streitaxt herausgestürmt.
„Ein Brief? Von Chada? Und darum weckst du mich?“
„Ein wichtiger Brief von Chada, Fürst!“
„Du liest meine Briefe?“
„Nein, aber auf dem Siegel ist ein Drachenkopf! Das allgemeinbekannte Symbol für Gefahr!“
„Dann gib mal her.“
Kram nahm der jungen Wache das Pergament aus den Händen und brach das Siegel.
Sein Gesichtsausdruck wechselte von neugierig über entsetzt zu steinzermahlend-kochend-wütend.
„Meres!“, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
„Herr?“, hakte Dwain, Marts Sohn, nach.
Meres hatte vor Dwains Zeit gelebt, doch er kannte die Geschichten, die immer noch über den bösen Hexer aus Andor kursierten.
„Meres starb, beim Untergang der schwarzen Kogge, wie der Rest der Besatzung. Zumindest dachten wir das. Vor wenigen Tagen jedoch tauchte Meres in der Taverne auf und hat vorgestern bei Chada den Untertanen-Eid geschworen. Ich habe nie gegen ihn gekämpft, denn ich musste mich nach Hallgards Tod um Cavern kümmern. Für mich war er der ungeschickte Hexer, der aus Tulgor kommt. Doch was Chada, Eara, Thorn und Stinner mir von ihm erzählt haben reicht. Er hat sich dem Capitän der schwarzen Kogge, Callem, angeschlossen und mehrmals gegen meine Freunde gekämpft. Schleißlich dachten wir er wäre Tod und nun das!“
„Was?“, fragte der nun völlig verwirrte Zwerg. „Was ist denn los?“
„Heute morgen haben Soldaten von der Rietburg Callem gefasst, als er einen kleinen Bauermhof im Rietland überfiel, doch als er auf die Rietburg gebracht wurde, konnte er sich befreien und Meres ist ihm gefolgt! Da er allerdings Callem noch nicht zurückgebracht hat, müssen wir davon ausgehen, dass er sich seinem Capitän a.D. wieder angeschlossen hat.“
„Was sollen wir tun, Herr?“, fragte Dwain, jetzt entschlossen.
„Du sendest eine Einheit aus, um die Pässe zum Grauen Gebirge zu versperren. Wenn sie da vorbeikommen, sind sie buchstäblich über alle Berge. Ich muss zur Burg.“
Am Baum der Lieder.
Tapta war quasi selbst ein Falke. Sein ganzes Leben lang hatte er mit ihnen gelebt, gearbeitet und geredet. Er versand sie und sie verstanden ihn. Er fuhr aus dem Halbshlaf hoch, als ein gewaltiger feuerrot gefiederter Falke durch das Fenster flog und einen markerschütternden Schrei ausstieß, der soviel hieß wie Gefahr. Sofort war er auf den Beinen und hielt dem Falken seinen Arm hin, dieser nahm die Sitzgelegenheit leise krächzend dankend war und streckte das benachrichtete Bein aus. Mit geübten Fingern löste Tapta die Nachricht und trug den Falken schnell zu einer Sitzstange.
Wenn der Falke warnt, so lautete ein Sprichwort, dann flieht selbst der Troll. Dementsprechend schnell machte sich Tapta zum Obersten Priester Phlegon auf, um ihm den Brief zu bringen. Im Laufen besah sich Tapta das Siegel und erkannte den Drachenkopf. Mit einem unguten Gefühl beschleunigte der Falkner seine Schritte und klopfte wie wild an die Tür des Obersten Bewahrers.
„Kommense rin, könnse rauskieke!“, schallte von drinnen die erstaunlich wache Stimme von Phlegon. „Deine Tiere machen erstaunlichen Lärm!“, wurde Phlegons Begrüßung noch herzlicher.
„Du weißt genau, dass das ein Warnruf war“, erwiderte Tapta unwirsch. „Hier ein Brief und das Siegel verkündet Gefahr, wenn du meinem Falken nicht glaubst!“
„Meres, der Hexer… aufgetaucht… Callem… geflohen… finden…“, murmelte Phlegon beim Lesen. „Alarmiere die schwarzen Wachen. Sie sollen die Küste überwachen, dass kein Schiff unkontrolliert ablegt.“
„Habs schon gehört“, erklang eine Stimme unter einer schwarzen Kapuze, die einer im Türrahmen stehenden Person gehörte.
„Bei Muttter Natur, Talvor!“, rief Phlegon. schleich dich noch einmal an und ich lasse deinen Vater inhaftieren!“
Arbons Sohn und Kommandant der schwarzen Wachen, Talvor, lüpfte die Kapuze und schmunzelte: „Diese Aufgabe dürfte ja dann wohl mir zufallen und: Nö! Keine Lust. Aber zurück zum Auftrag: Küste abriegeln?“
„Ja, Küste abriegeln“, erwiderte Phlegon mit säuerlichem Gesichtsausdruck.
Talvor erhob ein Horn, das an seinem Gürtel hing und stieß hinein.
An Thorns Hof.
Von einem krächzenden Falken geweckt zu werden gehörte nicht zu Thorns Herzenswünschen im Alter. Vor allem nicht wenn sich ihm der Falke auf die Brust setzte und ihm unsanft gegen den Kopf pickte.
Thorn riss die Augen auf und beruhigte sich, als er erkannte, dass es sich um einen königlichen Falken handelte. Dann wiederum stöhnte er, als er das Drachenkopf Siegel erkannte. Der alte Krieger richtete sich auf und nahm dem Falken die "Fracht" ab.
Zorn kochte in ihm hoch, als er die Schlagworte Meres, Callem, geflohen und am Leben las. In seinem Brief stand, dass er sich auf schnellstem Wege zur Rietburg aufmachen sollte.