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Kritik zu Robin Hood

Kritik zu Robin Hood

Beitragvon Kar éVarin » 11. Juni 2021, 18:56

Hallo zusammen!

Die CGF hat vor fast zwei Wochen das letzte Kapitel "Die dunkelste Stunde" von Robin Hood gespielt. Insgesamt haben wir 7 Kapitel (inkl. des Bonusabenteuers "Die Tochter des Ketzers") auf den ersten Versuch und ein Kapitel (das dritte) auf den zweiten Versuch geschafft (wir wurden zweimal von Wachen überrascht, hatten dadurch keine Hoffnung und dann keine Zeit mehr). Im vierten Kapitel hatten wir uns entschieden, die gestohlenen Schätze wieder zu beschaffen. Die Gründe dafür lassen sich vielleicht auch beim "Ewigen Rat" finden. ;)

Wir waren übrigens immer (außer Kapitel 3, Versuch 2) zu fünft: TroII als Robin Hood, Moai als Little John, Schlafende Katze als Will Scarlet und Butterbrotbär als Maid Marian. Meine Wenigkeit stellte das Brett zur Verfügung, zog Scheiben und Würfel, blätterte im Buch und übertrug alles via Videokonferenz. Hat mir sehr viel Spaß gemacht!
Und den anderen, soweit ich das beurteilen kann, auch.

Warum schreibe ich das nun nicht einfach bei den Spielberichten? Nun ja, weil ich weniger berichten sondern einen kritischen Beitrag zu dem Spiel geben will.
Und ich denke, dass dieser Beitrag hier eher von offizieller Seite gelesen wird als bei den Berichten.

Was ich hier schreibe, ist einzig meine Meinung, wobei ich durchaus das Gefühl habe, dass sich diese in weiten Teilen mit der meiner Mitspieler deckt.


Dann fange ich mal mit den negativen Punkten an:
Der Preis ist ordentlich. Hätte ich nicht schon gewisse Erwartungen gehabt, wäre es mir wohl zu teuer gewesen, aber diese Erwartungen wurden im Großen und Ganzen übertroffen. Damit es nicht noch teuerer wird, lässt KOSMOS das Spiel wohl in China produzieren, was zur Folge hatte, dass Galaphil recht lange auf sein Spiel warten musste (wir erinnern uns an den verstopften Suezkanal). Meine größten negativen Kritikpunkte sind aber eventuell auch eine Folge aus der Wahl des Produktionslandes:
  • Es kommt vor, wenn auch selten, dass einige Seiten des Buches leer sind (ich weiß von zwei Berichten)
  • Hin und wieder sind die Holzfiguren nicht ganz so, wie sie sein sollten (ich erinnere mich an einen geteilten Little John und bei mir war ein Zwischenraum einer von Robins Lauffiguren nicht leer)
  • Bisweilen sind die Nasen, an denen man die Plättchen vom Plan lösen soll, nicht entfernt (bei mir und bei TroII jeweils bei einem Plättchen)
  • Da die Plättchen sehr eng im Brett sitzen, fangen sie recht schnell an, Benutzungspuren aufzuweisen und an der entsprechenden Stelle weich zu werden
  • Wenn man die Plättchen wendet, passen sie leider um 1-2 Millimeter nicht zum restlichen Brett

Das sind meine negativen Kritikpunkte, und wie man merkt, ist das Meckern auf verd***t hohen Niveau. Denn:

DAS SPIEL IST ABSOLUTE KLASSE!

Es wird eine spannende und abwechslungsreiche Geschichte erzählt, die auch nach dem ersten durchspielen noch für Überraschungen sorgen kann.
Die Mechanismen greifen einwandfrei ineinander und sind gut erklärt (auch wenn wir bei den Regelfragen sehr pingelig sind).
Das Spielsystem ist sehr inovativ, etwas absolut Neues, das dennoch einwandfrei funktioniert.
Der Spielaufbau ist genau genommen nicht ganz so schnell wie angegündigt, aber dennoch sehr rasch ausgeführt.
Die Illustrationen sind einfach nur liebevoll, detailreich und wunderschön!

Die Nomminierung zum Spiel des Jahres ist absolut nachvollziehbar und gerechtfertigt, und da stellt sich schon die Frage, wie ein Spieleillustrator es schafft, mit den zwei Spielen, die er selbst schreibt, zwei derartige Meisterwerke, die auch entsprechende gewürdigt werden, zu erschaffen. Micha, ich verneige mich tief!


Ich habe auch schon etwas in den +Modus gespickt und bin auch da positiv überrascht. Zuerst hatte ich meine Bedenken wegen des Wiederspielreizes, aber die sind dadurch ausgeräumt, und es gibt genug Möglichkeiten, sich das Spiel etwas schwerer zu machen, teilweise auch durch sehr einfache Regelauslegungen.

Ich bedanke mich bei der CGF dafür, dass sie dieses tolle Spiel mit mir gespielt haben.
Ich bedanke mich hier bei der Taverne und allen, die bei der Promoaktion zu Robin Hood mitgewirkt haben.
Und ich bedanke mich ganz besonders bei Michael Menzel für dieses tolle Spiel und bin sehr gespannt, was da noch auf uns zukommen wird!

Mit herzlichen Grüßen, diesmal aus dem Sherwood
Kar éVarin


PS: Einen negativen Kritikpunkt habe ich noch: Im ersten Kapitel wird schon die Regel mit den Sanduhren bei überwundenen Wachen eingeführt, auch mit dem Hinweis, dass diese dadurch nicht zu schnell wieder auftauchen können. Leider besteht da garnicht die Möglichkeit, dass die Wache auftauchen könnte, womit wohl nicht nur ich im ersten Kapitel in die Irre geführt wurde. ;)
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Re: Kritik zu Robin Hood

Beitragvon Galaphil » 11. Juni 2021, 20:11

Da schließe ich gleich noch mal an:

Erstens einmal durfte ich bei 2 Abenteuern ebenfalls mit dabei sein, zwar ohne Figur, aber quasi als beratender Bruder Tuck im Hintergrund. Das erste Abenteuer war dann auch gleich das eine, das verloren ging (ich schwöre! Ich war nicht schuld daran! :roll: ), das zweite war dann das sechste Abenteuer. Das wurde ja auch auf Anhieb geschafft. Und beim großen Finale hatte ich die Wahl, entweder mit der CGF mitzuspielen, oder parallel ebenfalls das siebente Abenteuer zu spielen, und entschied mich fürs parallele Spiel. Da wir ungefähr gleichzeitig fertig wurden (bei mir dauerte es etwas länger, irgendwie hatte ich nicht so ein Glück als die parallele Gruppe, da die Kutschen bei mir erst ganz am Ende kamen, und es wurde deshalb auch verdammt knapp mit den Sanduhren - aber dafür kam der verräterische Prinz bei mir nicht mal bis zum Burgtor. :D Und das war dann auch 8-) ) war es dann auch lustig, die beiden unterschiedlichen Partien miteinander zu vergleichen, das hat fast genauso viel Spaß gemacht wie das selber spielen.
Ich hatte übrigens den anderen Weg gewählt, nämlich die Befreiung von Alex, dem Schmied, und ich glaube, dass der Weg in Summe interessanter war.

Zu den Kritikpunkten: die mangelnde Qualität der Holzfiguren ist mir auch aufgefallen, gleich beim ersten Spiel mit meiner Tochter fiel ihr eine von Robins Standfiguren zu Boden und seither ist ein Holzteil abgesplittert. Aber was solls.

Das Aufschwellen der Wendeplättchen ist ebenfalls mühsam, und das, obwohl ich dem Tipp vieler Rezensenten gefolgt bin und eine Pinzette verwendet habe, zumindest anfangs. Hilft auf Dauer auch nicht.

Das Ende des fünften Abenteuers im Weg, wo man den Schmied befreit, habe ich total unlogisch gefunden, ein echter Bruch zur allgemeinen Vorstellung von Robin Hood. Klar, für die Geschichte und das nächste Abenteuer war es natürlich ein toller Cliffhanger, wie so viele in diesem Abenteuerbuch, aber logisch war diese Aktion nicht und sie stand im krassen Gegensatz zu allem, was man aus den Büchern so kennt.

Was ich gut finde: Es gibt klassische Soloregeln, die auch gut funktionieren (eines durfte ich zusammen mit der Katze und dem Troll spielen, was den Begriff Solospiel wieder einmal weit dehnt; ein zweites hab ich tatsächlich solo gespielt), aber man kann auch alleine mehrere Figuren führen, was auch Spaß macht, obwohl dann niemand anderer für mich vorgelesen hat. Das hat aber auch niemand, als ich mit meiner Tochter spielte, und da kommt ein weiterer positiver Punkt: Das Spiel ist so einfach konzipiert, dass man auch mit deutlich jüngeren spielbegeisterten Kindern das Spiel spielen kann, zumindest die ersten drei bis vier Abenteuer. ABER: die Ankündigung: In 5 Minuten fertig aufgebaut und spielbar trifft ausschließlich auf das erste Abenteuer zu! Ich hab dann beim zweiten (oder dritten?) Abenteuer gemerkt, dass die ganzen Aufbauten und Vorkehrungen vor dem eigentlichen Losspielen die Vorbereitungszeit deutlich in die Höhe treiben: Man muss zuerst alle Plättchen umdrehen (Sternregel), dann wieder einige zurückdrehen, dann zieht/legt man die Siegel, um zu schauen, wo wer startet, zieht ein weiteres Siegel und dreht noch mal Wachen/Adelige/Kutschen um, also lauter Dinge, die Zeit dauern und für weitere Abnützung beim Karton sorgen. Der Tipp von Kar half da ungemein, der mir erzählte, dass er alle Aufbauanleitungen für das nächste Abenteuer so weit wie möglich schon beim Abräumen erledigte, um dann tatsächlich nur noch ~5 Minuten für den nächsten Aufbau brauchte.

Mein Fazit:
Das Spiel ist nicht nur gut, es lässt sich tatsächlich auch hervorragend mit allen Generationen spielen, und die Betonung liegt hier wirklich auf: Spielen!
Das kann man ja nicht von allen anderen nominierten Spielen zum Spiel des Jahres behaupten.

Der Wiederspielwert ist prinzipiell gegeben, auch wenn er erst mal etwas nachlässt, wenn man die Geschichte einmal durch hat. Aber da es ja verschiedene Erweiterungsabenteuer gibt und geben wird, lässt sich das verschmerzen. Und man kann ja tatsächlich eine teils andere Geschichte erleben, wenn man zuerst in II und dann im +Modus spielt.

Im Gegensatz zu Kar finde ich den Preis jetzt nicht so toll hoch, aber ich gebe auch zu, ich hab das Spiel deutlich günstiger bekommen, als es jetzt gelistet ist. Aber selbst für den gelisteten Preis ist es noch ok, Gesellschaftsspiele auf diesem Niveau kosten einfach, und Robin Hood ist da nicht das teuerste Spiel in meiner Sammlung, ganz im Gegenteil.

Zum Schwierigkeitsgrad: Ja und Nein. Im Spiel denkt man schon oft, dass es jetzt schnell aus sein kann, wenn die falsche Scheibe gezogen wird, und das Zufallselement, dass über Sieg und Niederlage entscheiden kann, je nachdem, welche Scheibe man zieht (oder welches Siegel), ist schon recht hoch und kann einerseits frustrierend sein, andererseits aber erhöht es auch den Adrenalinspiegel und lässt einem Jubeln, wenn es doch noch knapp geschafft ist. Aber auch da sehe ich einen deutlichen Anstieg von Legende zu Legende, sodass immer noch meine Aussage gilt, die ersten Einstiegslegenden sind durchaus auch mit kleineren Kindern zu spielen, wenn sie nur die Geduld und die Freude aufbringen.
Zum Thema Schwierigkeitsgrad aber noch: Ich sehe es jetzt nicht als zielführend, den Schwierigkeitsgrad dadurch zu erhöhen, indem man an Stellschrauben dreht, die einfach nur weniger Zeit zur Verfügung stellen, weil es dem Sinn des Spiels widerspricht, den einzig optimalen Weg zu finden. Das Spiel will eine Geschichte erzählen und das gelingt ihm hervorragend. Legt man einen Optimierungsmechanismus darüber, dann geht die eigentliche Geschichte verloren, weil man sich dann nicht mehr auf die Abweichungen einlassen kann.
Darum: Lieber kein Kennerspiel, sondern ein Spiel, dass einem auch verzeiht, dass man nicht den optimalen Weg wählt, oder mal Umwege geht, um mehr Geschichte zu erleben. Genau das ist der eigentlich Sinn, der für den Spielspaß sorgt und der Hauptunterschied zu Andor, wo der Optimierungszwang schon sehr hoch ist.

Am Ende sag ich auch, wie Kar, ich bin beeindruckt, wie es dem Spieleautor und Illustrator gelungen ist, mit seinem zweiten Werk ein mindestens ebenso episches wie geniales, völlig neues Spielkonzept umzusetzen und ganz viele Spieler in seinen Bann zu ziehen. Robin Hood ist definitiv ebenso eines der Spiele, die meine Sammlung zeit meines Lebens nie verlassen werden, komme was wolle.

Und ein größeres Lob kann es wohl nicht geben.
Lieben Gruß. Galaphil
Galaphil
 
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