Schönes Geschichtchen! Vor allem die jeweiligen Geschenke haben es hier angetan.
Ooh, eine Diskussion über moralische Beurteilung! Ich bin dabei!
Ich will jetzt vielleicht nicht direkt sagen, wie man beurteilt, oder wie wir beurteilen sollten, aber ich kann auf jeden Fall sagen, wie ich zu einer moralischen Beurteilung einer Entscheidung komme. (Oder zumindest, wie ich es versuche. Ich kann leider nicht ausschließen, dass sich auch bei mir manchmal unreflektierte Sympathien etc. in die Beurteilung schmuggeln. )
Also, Ich bewerte tatsächlich nicht die Konsequenzen, sondern eher (aber nicht ganz) die Intention. Aber Vorsicht: Intention ist NICHT das Gleiche wie Motiv. Intention würde ich definieren als "die beabsichtigten Konsequenzen". Als Bewertungsgrundlage würde ich jedoch die "erwarteten" oder "erwartbaren" Konsequenzen heranziehen, die meistens (aber nicht immer) mit der Intention übereinstimmen.
Beispiel: Person X lässt ihr Kind impfen, weil sie es vor einer Krankheit schützen will. Bedauerlicherweise ist das Kind eines der ganz seltenen Fälle, wo es zu unschönen Nebenwirkungen kommt, und außerdem wäre das Kind ohnehin nie mit der Krankheit in Kontakt bekommen. Wenn X keine Chance hatte, die beiden letzten Punkte zu wissen (bzw. diese Folgen der Entscheidungsoptionen für wahrscheinlicher zu halten als bei anderen), dann finde ich es nicht sinnvoll, diese aktuellen Konsequenzen als Bewertungsmaßstab zu nehmen. Zugelassene Impfungen sind im Allgemeinen sicher und eine gute Idee; nach allem, was X wusste und wissen konnte, war die Impfung für das Kind als positiv zu erwarten, und X hat keinen Fehler gemacht.
(Übrigens: Wenn ich eine Entscheidung treffe, die sich im Nachhinein als schlecht herausstellt, z.B. bei Chada Weiterwürfeln, obwohl nur Einsen kommen, dann sehe ich das auch nicht als Fehler - wenn ich die nach meinen verfügbaren Informationen beste Entscheidung getroffen habe und einfach Pech hatte, dann sage ich: Pech gehabt, aber das war trotzdem richtig und beim nächsten Mal mache ich es wieder so.)
So, und jetzt kommt Person Y, die ihr gleichaltrigen Kind mit dem gleichen Impfstoff impft. Allerdings ist Y ihr Kind vollkommen egal, Y will einfach nur das eigene Ansteckungsrisiko verringern. Das Motiv ist hier also nicht der Wunsch, dem Kind zu helfen, sondern purer Eigennutz. Nichtsdestotrotz ist die Entscheidung dieselbe, die absehbaren Konsequenzen (und in diesem Fall auch die Intention) sind dieselben, und damit sage ich, dass sie moralisch gleichwertig sind. Für die betroffenen Kinder (und auch für alle anderen) sind diese Entscheidungen gleich gut, egal welches Motiv dahintersteckt und egal, ob der Schutz des Kindes das Ziel oder nur ein netter Nebeneffekt ist.
Auch wenn das Motiv ein anderes ist, ist die Intention dieselbe, und das reicht mir.
Warum reicht mir Intention nicht? Nehmen wir an, im ersten Beispiel wären die Nebenwirkungen bekanntermaßen sehr heftig und die Krankheit so gut wie ausgestorben. Wenn Person X ihr Kind impfen lässt, um es vor dem unwahrscheinlichen Krankheitsfall zu schützen, dann sind die beabsichtigten Konsequenzen 1. keine Nebenwirkungen und 2. eine Krankheit weniger. Die zu erwartenden Konsequenzen jedoch sind jeweils mit Recht höherer Wahrscheinlichkeit 1. starke Nebenwirkungen und 2. gleich viele Krankheiten. X hat auf positive Folgen gehofft, aber hat trotzdem die bekannten Risiken billigend in Kauf genommen und letztlich eine Entscheidung getroffen, die für das Kind absehbar schlecht war. (Wenn die entsprechenden Wahrscheinlichkeiten hinreichend groß bzw. klein sind.) In diesem Fall bewerte ich nicht nach Intention, sondern nach erwarteten Konsequenzen und sage, X hat einen Fehler gemacht.
Wo ich mir selbst unsicher bin ist, ob ich eher nach erwarteten oder erwartbaren Konsequenzen beurteilen will (oder sogar sollte).
Für den Unterschied betrachten wir Person Z, leidenschaftlicher Impfgegner und überzeugt, dass alle Impfungen unnatürliches Gift sind und dem Geimpften nur schaden. Die erwarteten Konsequenzen von "Kinnd impfen" sind für Z auf jeden Fall negativ, allerdings nur, weil Z irrtümliche Meinungen hat. Gehen wir davon aus, dass Z bereits Kontakt zu Nicht-Impfgegnern hatte und Impfungen einfach auf Basis aller Informationen für gut halten müsste, aber diese Informationen aus ideologischen Gründen ignoriert. Die erwartbaren Konsequenzen sind dann die gleichen wie bei X und Y auch.
Ich bin mir wie gesagt unsicher, wie ich die Entscheidung des Impfgegners bewerten soll. Einerseits heißt nur nach erwarteten Konsequenzen zu gehen einen Freifahrtschein für jede absurde Verschwörungstheorie. Wenn der Nazi wirklich glaubt, dass es insgesamt für alle besser ist, wenn wir Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken lassen anstatt sie zu retten, dann müsste ich sagen, sie nicht zu retten ist für ihn richtig...
Wenn ich andererseits die erwartbaren Konsequenzen zugrunde lege, dann heißt das, dass ich Menschen dafür verurteile, keine perfekten Supercomputer zu sein, die alle verfügbaren Informationen neutral auszuwerten und so genau zu berechnen, was jeweils mit welcher Wahrscheinlichkeit die Konsequenzen sein werden. Das scheint ein zu hoher Maßstab zu sein...
Die erwartbaren Konsequenzen werfen übrigens noch die zusätzliche Frage auf, ob ich auch verlangen kann, dass Menschen sich informieren, um so die erwartbaren Konsequenzen besser abzuschätzen...
So, was heißt das jetzt für Ken Dorr und Thorald? Ken Dorr kommt nicht gut weg, sowohl um an die Macht zu kommen als auch als er dann an der Macht war, hat er Entscheidungen getroffen, von denen er vmtl. genau wusste, dass sie Schaden anrichten.
Nicht so klar ist das Urteil bei Thorald. Er wird wohl meistens davon ausgegangen sein, das richtige zu tun, die Frage ist nun aber erstens, ob ich nach erwarteten oder erwartbaren Konsequenzen gehe, und zweitens (falls erwartbar), ob er hätte wissen können, dass seine Entscheidungen falsch sind. Letzteres scheint zumindest teilweise der Fall zu sein (z.B. Kampf um Cavern), ersteres ist wie gesagt offen.
Mir scheint aber, dass Ken Dorr in jedem Fall schlechter wegkommt, einfach weil er in kurzer Zeit noch viel mehr schädliche Entscheidungen getroffen hat. Allein seine ganzen Erlasse...
Soweit von meiner Seite!
Gruß, TroII