Mein wahrer Name

Liebe Andori,
hier könnt ihr die Geschichte lesen, wie ich damals zu meinem Spitznamen kam:
Als ich vor einigen Jahren als Novize am Baum der Lieder meine Ausbildung zum Bewahrer begann, bezog ich eine kleine Kate etwas abseits vom großen Baum. Hinter der Hütte wuchs ein kleines Feigenbäumchen. Die ersten Tage meiner Ausbildung waren sehr anstrengend. Ich war noch jung und alles war neu. Die Studien dauerten lang und waren oft trocken. Da manifestierte sich bei mir schnell ein kleines Ritual: Jeden Abend, nach dem Studieren der Schriftrollen und Erstellen diverser Abschriften, setzte ich mich vor meinen Feigenbaum und ließ den Tag unter dem Rauschen seiner Blätter ausklingen. Irgendwann trug der Baum auch erste Früchte, die mir mein kleines Ritual noch mehr zu versüßen vermochten.
Die Zeit verging, ich lernte viel, der Feigenbaum wuchs. Schon bald kamen regelmäßig Bewahrer vorbei – vom Novizen bis zum weisen Archivar – um ein paar Feigen zu ergattern. Eines Tages besuchte mich meine alte Freundin Lesa mit ihrem kleinen Bruder Timos, der gerade sieben Jahre alt geworden war. Auch ihnen bot ich selbstverständlich von den Feigen an. Solche Früchte hatten die beiden noch nie gegessen. Lesa schmeckten sie sehr gut. Timos‘ erste Reaktion fiel etwas anders aus. Er nahm sich eine Feige, betrachtete sie eingehend, schnupperte skeptisch daran, nahm einen kleinen Bissen, den er sogleich wieder ausspuckte, und verzog das Gesicht. „Iihh!“, rief er. „Du willst mich wohl vergiften mit diesen Knödeln!“ Verdutzt schauten wir ihn an. Da legte er trotzig nach: „Du Giftknödel!“ Nach einem Augenblick sprachloser Stille ertönte schallendes Gelächter und auch Timos selbst musste lachen.
Unter den anderen Bewahrern sprach sich diese Geschichte schnell herum und ich hatte meinen Spitznamen: Giftknödel. Tapta, der gemeinsam mit mir die Ausbildung zum Bewahrer begonnen hatte, war nach einiger Zeit einer der wenigen, die meinen wahren Namen überhaupt kannten und so gut wie der einzige, der ihn auch benutzte. Wir arbeiteten viel gemeinsam an verschiedenen Niederschriften und halfen uns gegenseitig bei unseren Studien, wobei wir immer ein Körbchen Feigen dabei hatten, auch wenn Melkart uns mehrfach ermahnte, gut auf die Pergamente und Schriftrollen aufzupassen.
Heute ist der Feigenbaum zu beachtlicher Größe herangewachsen. Seine Krone überdacht mittlerweile meine Hütte. Die Feigen schmecken noch immer genauso gut. Und mein Spitzname ist auch geblieben. Doch meine Ausbildung ist nun schon weit fortgeschritten, sodass ich zu dem Schluss gekommen bin, der Welt meinen wahren Namen mitteilen zu wollen, mit dem ich meine Niederschriften zu unterschreiben pflege. Ich bin Phlegon und wenn das Schicksal es will, wird dieser Name eines Tages unter allen Bewahrern bekannt sein.
gez. Phlegon
Adept am Baum der Lieder im Sommer des Jahres 67 nach andorischer Zeitrechnung
hier könnt ihr die Geschichte lesen, wie ich damals zu meinem Spitznamen kam:
Als ich vor einigen Jahren als Novize am Baum der Lieder meine Ausbildung zum Bewahrer begann, bezog ich eine kleine Kate etwas abseits vom großen Baum. Hinter der Hütte wuchs ein kleines Feigenbäumchen. Die ersten Tage meiner Ausbildung waren sehr anstrengend. Ich war noch jung und alles war neu. Die Studien dauerten lang und waren oft trocken. Da manifestierte sich bei mir schnell ein kleines Ritual: Jeden Abend, nach dem Studieren der Schriftrollen und Erstellen diverser Abschriften, setzte ich mich vor meinen Feigenbaum und ließ den Tag unter dem Rauschen seiner Blätter ausklingen. Irgendwann trug der Baum auch erste Früchte, die mir mein kleines Ritual noch mehr zu versüßen vermochten.
Die Zeit verging, ich lernte viel, der Feigenbaum wuchs. Schon bald kamen regelmäßig Bewahrer vorbei – vom Novizen bis zum weisen Archivar – um ein paar Feigen zu ergattern. Eines Tages besuchte mich meine alte Freundin Lesa mit ihrem kleinen Bruder Timos, der gerade sieben Jahre alt geworden war. Auch ihnen bot ich selbstverständlich von den Feigen an. Solche Früchte hatten die beiden noch nie gegessen. Lesa schmeckten sie sehr gut. Timos‘ erste Reaktion fiel etwas anders aus. Er nahm sich eine Feige, betrachtete sie eingehend, schnupperte skeptisch daran, nahm einen kleinen Bissen, den er sogleich wieder ausspuckte, und verzog das Gesicht. „Iihh!“, rief er. „Du willst mich wohl vergiften mit diesen Knödeln!“ Verdutzt schauten wir ihn an. Da legte er trotzig nach: „Du Giftknödel!“ Nach einem Augenblick sprachloser Stille ertönte schallendes Gelächter und auch Timos selbst musste lachen.
Unter den anderen Bewahrern sprach sich diese Geschichte schnell herum und ich hatte meinen Spitznamen: Giftknödel. Tapta, der gemeinsam mit mir die Ausbildung zum Bewahrer begonnen hatte, war nach einiger Zeit einer der wenigen, die meinen wahren Namen überhaupt kannten und so gut wie der einzige, der ihn auch benutzte. Wir arbeiteten viel gemeinsam an verschiedenen Niederschriften und halfen uns gegenseitig bei unseren Studien, wobei wir immer ein Körbchen Feigen dabei hatten, auch wenn Melkart uns mehrfach ermahnte, gut auf die Pergamente und Schriftrollen aufzupassen.
Heute ist der Feigenbaum zu beachtlicher Größe herangewachsen. Seine Krone überdacht mittlerweile meine Hütte. Die Feigen schmecken noch immer genauso gut. Und mein Spitzname ist auch geblieben. Doch meine Ausbildung ist nun schon weit fortgeschritten, sodass ich zu dem Schluss gekommen bin, der Welt meinen wahren Namen mitteilen zu wollen, mit dem ich meine Niederschriften zu unterschreiben pflege. Ich bin Phlegon und wenn das Schicksal es will, wird dieser Name eines Tages unter allen Bewahrern bekannt sein.
gez. Phlegon
Adept am Baum der Lieder im Sommer des Jahres 67 nach andorischer Zeitrechnung