Zurück zur Taverne

Tavernentratsch

Re: Tavernentratsch

Beitragvon Tavernengaukler » 6. Januar 2020, 20:30

Hey Leute, haben mir mit dem Geld, dass ich von meinem Partenonkel bekommen habe, "Das Lied des Königs", zugelegt. Leider habe ich das Buch innerhalb des Tages komplett verschlungen, sodass ich nun wieder ohne neuen Lesestoff, darstehe... :| :D
Tavernengaukler
 
Beiträge: 255
Registriert: 4. November 2019, 20:13

Re: Tavernentratsch

Beitragvon Galaphil » 6. Januar 2020, 20:39

:lol:

Ging mir genauso!
Wenn du ein paar gute Fantasy-Romane magst, kannst du im DDD-Verlag nachschauen, online heißt er 'Der kleine Spieleladen', da hab ich ein paar nette Bücher her.

Lieben Gruß, Galaphil
Galaphil
 
Beiträge: 6623
Registriert: 11. Oktober 2015, 20:46

Re: Tavernentratsch

Beitragvon Tavernengaukler » 6. Januar 2020, 21:16

Danke, für deine Empfehlung!
Schön dass es auch Anderen so geht wie mir... :D
Tavernengaukler
 
Beiträge: 255
Registriert: 4. November 2019, 20:13

Re: Tavernentratsch

Beitragvon Galaphil » 7. Januar 2020, 04:40

Nun ja, das Lied des Königs schaut zwar recht dick aus, liest sich aber sehr schnell. Bzw. kann man auch schwer aufhören. ;)

Ich hab nachgeschaut, mittlerweile ist das Angebot ziemlich geschrumpft, entweder sind die Lager der Drolle grad recht leer, oder man muss Carsten selber fragen. Ich hab jedenfalls deutlich mehr Bücher von ihnen.

Und damit an alle einen schönen Arbeitstag, lasst uns beschwingt in die kurze Woche starten.

Lieben Gruß Galaphil
Galaphil
 
Beiträge: 6623
Registriert: 11. Oktober 2015, 20:46

Re: Tavernentratsch

Beitragvon Kar éVarin » 7. Januar 2020, 07:43

Hallo!

Ich hatte das Buch auch komplett am ersten Weihnachtsfeiertag gelesen. Das Buch ist zwar recht dick, aber es ist auch recht groß gedruckt und mit dem Platz am Rand wird auch sehr großzügig umgegangen. Wäre das Buch von einem Buchverlag gedruckt worden, wäre es vielleicht nur halb so dick.
Aber es liegt nicht nur daran, die Geschichte ist auch packend und der Schreibstil einfach. Nur die ganzen Tippfehler holpern etwas...

Einen guten Start ins neue Arbeitsjahr wünsch ich allen, auch denen, für die es schon die zweite Woche ist!
Boggart
Benutzeravatar
Kar éVarin
 
Beiträge: 2334
Registriert: 5. September 2017, 05:59
Wohnort: In einem gemütlichen Heim ganz nah bei Freunden ;)

Re: Tavernentratsch

Beitragvon TroII » 7. Januar 2020, 10:50

So, ich bin wieder da! :P

Ich fange jetzt mit dem Aufbau an, noch ein bisschen Geduld also. Wenn keine Einwände kommen, würde ich wieder rot (schwer) spielen und den Endgegner zufällig ziehen.

Ach so, und ich bin bis jetzt nicht dazu gekommen, meinen Feuerkrieger auszuschneiden und aufzukleben... Aber das lässt sich alles regeln. :mrgreen:

Gruß, Troll
Benutzeravatar
TroII
 
Beiträge: 4839
Registriert: 16. März 2015, 17:50
Wohnort: In einer gemütlichen Höhle im Grauen Gebirge (Im Sommer im Rietland)

Re: Tavernentratsch

Beitragvon TroII » 7. Januar 2020, 11:03

Ach so, und jetzt besteht auch noch die Möglichkeit, sich Mini-Erweiterungen zu wünschen. Trunkener Troll, Ruf der Skrale, Freund und Feind (wenn wir mit rot spielen diese Ergänzung wohl eher nicht), Licht der 5. Stunde...
Jetzt ist die Gelegenheit!
Benutzeravatar
TroII
 
Beiträge: 4839
Registriert: 16. März 2015, 17:50
Wohnort: In einer gemütlichen Höhle im Grauen Gebirge (Im Sommer im Rietland)

Re: Tavernentratsch

Beitragvon Galaphil » 7. Januar 2020, 11:10

Hallo Troll

Ok, also zufällig.

Nein, neun, bitte keine Erweiterungen! Andor pur, es ist auch so schon recht viel, gerade VL2 hat ja extrem viel Material.

Schwer ist ok.

Lieben Gruß und willkommen zurück, Galaphil
Galaphil
 
Beiträge: 6623
Registriert: 11. Oktober 2015, 20:46

Re: Tavernentratsch

Beitragvon Butterbrotbär » 11. Januar 2020, 23:44

Tavernengaukler hat geschrieben:Hey Leute, haben mir mit dem Geld, dass ich von meinem Partenonkel bekommen habe, "Das Lied des Königs", zugelegt. Leider habe ich das Buch innerhalb des Tages komplett verschlungen, sodass ich nun wieder ohne neuen Lesestoff, darstehe... :| :D
Kennst du schon Trolls Roman schon? ;)

Ich habe mal wieder eine Kurzgeschichte entworfen, mich aber diesmal von den Andor-Märchen entfernt und an einen etwas anderen Stil gewagt (Kritik ausdrücklich erwünscht :P ).
So vernehmet, was sich eines Tages (oder besser gesagt in einer stürmischen Nacht) in ebendieser Taverne, in welcher wir gerade sitzen, zugetragen hatte:
Benutzeravatar
Butterbrotbär
 
Beiträge: 2961
Registriert: 26. Februar 2019, 20:56
Wohnort: Die gemütliche Hütte des Butterbrotbären natürlich^^

Re: Tavernentratsch

Beitragvon Butterbrotbär » 11. Januar 2020, 23:47

Die Wassermagierin, der Feuerkrieger und der Seher

Es regnete in Strömen. Schon seit Stunden peitschten Wassermassen gegen die Fenster der Taverne zum Trunkenen Troll, doch die Tavernengemeinschaft liess sich dadurch nicht die Stimmung vermiesen. Gildas Metvorrat würde noch lange reichen, und falls man des schlechten Wetters wegen nicht nach Hause konnte, so wurde halt in der beliebtesten Taverne von Andor gleich doppelt und dreifach so lange gefeiert.
Die Tür zur Taverne öffnete sich langsam, als hätte jemand sachte dagegen gestossen.
Seltsamerweise fielen keinerlei Regentropfen durch die dunkle Öffnung ins Innere des gemütlichen Raums. Eine Hand erschien aus der Dunklen und griff an den hölzernen Rahmen der Tür, danach ein wohlbekanntes Gesicht, welches in den hell erschienenen Raum guckte – es war Jarid, die Wassermagierin aus dem fernen Danwar! Ihr sonst übliches fröhliches Lächeln fehlte, stattdessen zeigten ihre Gesichtszüge Unbehagen, ja sogar Sorge!
Sie schleppte sich in den Schankraum. Ihr selbst ging es ja prima, aber ihrem stetigen Begleiter Trieest eher weniger. Ihn sorgsam unter einer Achsel stützend, hievte sie den schwer berüsteten und vollkommen durchnässten Feuerkrieger vorsichtig über die Türschwelle und hinein in die gute Stube. Kurz flatterte sie mit ihren Fingern, und aus ihrem Haar, ihrem verzierten Umgang, ihren Schuhen, Trieests Rüstung, seinen Ohren – von überallher perlten kleine Wassertropfen hervor und schwebten, geleitet von Jarid, hinaus aus der Taverne in die finstere Sturmnacht. Mit einem dumpfen Knarren fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.
Der nun wieder trockene Trieest konnte sich kaum auf den Beinen halten. Er ächzte und schnaufte, doch war äusserlich keine Verletzung an ihm zu erkennen. Der fest in seiner Brust verankerte Lavastein leuchtete in einem satten Orangeton und strahlte spürbar Hitze ab. Der Stein war es wohl auch, der Trieest so sehr zu schaffen machte – die Hitze selbst schien ihm ja nie etwas anhaben zu können, doch litt er auf eine ganz andere Weise durch das Tragen dieses magischen Edelsteins.

„Bitte, Jarid, ich kann nicht mehr lange“, flüsterte Trieest flehend aus brüchigen Lippen hervor.
Jarid blickte ihn mit einem traurigen Blick an und sprach leise: „Tri, du weisst, dass ich den Stein nicht entfernen darf, selbst, wenn ich mir sicher wäre, wie es funktioniert. Ich helfe dir ja schon beim Tragen deiner Bürde. Und ich tue, was ich kann, um die Pein zu lindern.“
„Fünf Jahre! Fünf Jahre trage ich ihn jetzt schon auf mir! Was verlangt Mutter Natur denn noch von mir?!“, stiess Trieest zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, ehe er wieder zum bettelnden Ton wechselte, „Nur schon fünf Minuten... fünf Minuten Ruhe und Stille... ich bitte dich...“
Jarid hielt kurz inne und schien zu überlegen, doch dann setzte sie ein strenges Gesicht auf und sagte bestimmt: „Nein. Wir wissen nicht mal, was mit dir geschehen würde, wenn ich die Verbindung kappte. Ich will den Ältesten nicht berichten gehen müssen, dass dein Prozess des Wandels nochmals von Grund auf zu beginnen hätte. Und du willst das doch auch nicht. Der Stein bleibt, wo er ist. Kümmern wir uns lieber um deine Schmerzen, da kann ich tatsächlich von Hilfe sein.“
Trieest brummelte etwas unter seinem Atem und seine langen Ohren wackelten. Dann liess er sich mühselig auf die nächstgelegene Sitzbank fallen und stöhnte schmerzerfüllt auf. Jarid quetschte sich sorgsam neben ihn.
„Gold...“, ächzte Trieest jetzt, „Hast du noch etwas von der Goldsalbe übrig?“
Jarid fischte ein kleines braunes Döslein aus einer Tasche ihres blauen Gewands und schraubte es auf. Ihr enttäuschter Blick sprach Bände: „Wasser wird es tun müssen. Viel Wasser.“
Mit diesen Worten blickte die Wassermagierin um sich, erwartend, von einem Haufen neugieriger Bauern umringt zu sein, von denen bestimmt einer ein Fass voller Wasser zu holen vermochte. Mit Erstaunen nahmen die beiden Danware jedoch wahr, dass sich noch kein Trubel gebildet hatte, ja, dass sich gar niemand gross um sie scherte. Das war aussergewöhnlich, da die beiden doch noch jedes Mal im Nu die Hauptattraktion in der Taverne zum Trunkenen Troll geworden waren, wenn sie bislang dort vorbeigeschaut hatten. Tatsächlich waren heute die meisten Besucher der Taverne aber in einer ganz anderen Ecke des Raumes um einen grossen Tisch versammelt und diskutierten angeregt.
Schnell fischte Jarid einen Trinkschlauch aus einer Falte ihres Kleids – nur noch zur Hälfte gefüllt mit abgestandenem Brunnenwasser, aber bei weitem besser als nichts – zog den Zapfen heraus und konzentrierte sich auf die klare Flüssigkeit. Mit einigen geübten Gesten, begleitet von einem dumpfen Summen und leuchtend blauem Schein, geleitete sie das Wasser aus dem Schlauch auf Trieest Brust, wo es eine Schicht über dem Lavastein bildete. Trieest seufzte auf und entspannte sich ein wenig. Doch bei der Hitze, welche der Lavastein abstrahlte, war das Wasser bald verdampft. Jarid versuchte erfolglos, die Tropfen wieder aus der Luft zu greifen. Die Tür zum Unwetter draussen wollte sie nicht mehr öffnen, wenn es sich vermeiden liess – es war sehr anstrengend, den Orkanböen Sturmwasser zu entreissen, und sie war bereits stark ausgelaugt. Gilda hatte bestimmt einige Fässer frischen, sauberen und vor allen Dingen nicht widerspenstigen Trinkwassers in ihrem Keller, welche Jarid vielleicht verwenden dürfte.
„Ich werde Gilda nach Wasser fragen, warte hier“, sprach sie zu Trieest. Dieser lachte heiser auf und bereute dies gleich wieder, als das gewohnte Ziehen in seiner Brust zurückkehrte. Wo wollte er schon hingehen in seiner jetzigen Kondition? Momentan würde es ihn nicht mal stören, von neugierigen Andori umringt zu sein. Ihre mitleidigen Blicke würden ihn bestimmt schon etwas besser fühlen lassen.

Jarid bewegte sich auf den grossen Tisch in der Ecke der Taverne zu, um den sich die meisten Tavernengäste versammelt hatten. Sie erkannte Eara, eine Zauberin aus dem noch ferneren Hadria und gute Freundin von ihr, wie sie mit geschlossenen Augen, den Körper leicht vor- und zurückwippend, ihre Fingerspitzen über die Tischoberfläche gleiten liess, während die umliegenden Tavernengäste ihr laut Dinge zuriefen. Einige schienen auch Wetten darauf abzuschliessen, ob Earas Vorhaben gelingen würde – wenn der Handelszwerg Garz seit Taroks Niedergang auf den Kontinent zurückgekehrt wäre, so hätte man ihn jetzt bestimmt in dieser Menschenmenge gefunden, glücklich grinsend einigen Bauern ihre letzten Silberstücke aus der Tasche ziehend. Doch der Handelszwerg war nirgends zu sehen, und so blieb es vor allem den wohlhabenden Händlern vom freien Markt vorbehalten, die Wetten abzunehmen.

Trieest beobachtete das aufgeregte Treiben von seiner Sitzbank aus angestrengt, die orange glühenden Augen fest zusammengekniffen, um möglichst scharf zu sehen. Viel mehr konnte er so jedoch auch nicht erkennen. Es schien sich um ein Spiel zu handeln, welches offensichtlich die Gemüter hochkochen liess. Doch da! Eine gebückte Gestalt löste sich aus der Menschenmenge und kam langsam auf Trieest zu. Die Person trug einen schweren dunklen Mantel und stützte sich im Gehen auf einen langen Stock – Jarid war das definitiv nicht, und auch sonst erinnerte sie Trieest an niemanden, den er kannte.
Der Feuerkrieger sah weit entfernte Dinge nur verschwommen, und seine Wahrnehmung von Farben war nicht dieselbe wie die der meisten Menschen, denen er bislang begegnet war, doch selbst er konnte erkennen, dass die Hautfarbe des nun vor ihm angekommenen Mannes sich von den hierzulande üblichen unterschied. Als dieser sich mühsam Trieest gegenüber niedergelassen hatte, fiel letzterem auf, dass der Neuankömmling gar nicht so alt war (oder zumindest nicht so alt aussah), wie Trieest zunächst gedacht hatte. Die langsamen, vorsichtigen Bewegungen und der Stock kamen daher, dass die Augen des Mannes von einer Binde bedeckt waren – er war blind!

„Blau sind die Weiten des Meers“, sprach der fremdartiges Blinde zur Begrüssung, sehr zur Überraschung Trieests, welcher schmerzerfüllt hustete und mit krächzender Stimme antwortete: „Und Blau sind die Weiten des Himmels.“
Stille.
Trieest ergriff das Wort: „Seid... seid ihr aus Danwar?“
Der Blinde lachte, und sagte dann: „Selbst bin ich noch nie dort gewesen. Gehört habe ich allerdings viel. Von den örtlichen Gepflogenheiten über eure grossen Errungenschaften wie das Fangen der Blitze – bis hin zur Tatsache, dass kein Feuerkrieger seine Heimat verlassen sollte.“
Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Mannes, als er seinen Satz beendete. Trieest atmete schwer. Da war viel auf einiges zu verarbeiten. Noch keiner, den er hier auf dem Festland getroffen hatte, hatte die Floskeln gekannt.
Nun gut, ganz richtig war das nicht. Reka hatte die Floskeln verwendet. Die alte Hexe hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie näher als zwei Meter an ein Gewässer gewagt und hasste schon das Überqueren von Brücken – dass sie je die Nebelinseln besucht hatte, hielt Trieest für sehr unwahrscheinlicht. Sicherlich hatte sie damals mit Hexerei in seinen Geist geblickt und ihn auf die Art und Weise begrüsst, wie es für ihn am normalsten war.
Jedenfalls hatten die Bewahrer vom Baum der Lieder, deren Pergamentsammlung den Wissensstand der Andori ganz gut repräsentierte, noch nie von den Floskeln gehört gehabt. Ganze drei Tage lang hatten sie ihn in Anspruch genommen, um jedes Detail über Danwars Kultur aus ihm herauszuquetschen – und danach hatte sich Gända Jarid geschnappt und mit ihr dasselbe durchgezogen. Sechs volle Tage hatten sie insgesamt dadurch verloren! Aber das lag hinter ihnen. Jetzt reiss dich zusammen, Trieest, keine Abschweifungen mehr!

Konnte es sein, dass der Blinde log und schon in Danwar gewesen war? Warum hätte er dann lügen sollen? Die Floskeln hatte er bewusst verwendet. Woher kannte er sie? Was wollte er von ihm? Und vor allem: Wie hatte ein Blinder überhaupt erst erkannt, dass da ein Danware vor ihm sass? Ein ungutes Gefühl baute sich in Trieest Magengegend auf – eine Mischung aus Verwirrung und Furcht.
Schnell blähte Trieest seine Nasenflügel auf und versuchte möglichst unauffällig, den Duft der Umgebung in sich aufzunehmen. In der schon etwas abgestandenen Tavernenluft lag nebst dem allgegenwärtigen Metgeruch und natürlich den individuellen Gerüchen der lauten Tavernengäste hinten am Tisch deutlich etwas Metallisches. Jawohl, da steckte einen Dolch im Gewand seines schweigenden Gegenübers. Andererseits war sich Trieest sicher, auch in seinem geschwächten Zustand dem Blinden körperlich weit überlegen zu sein. Gefährlich könnte es für ihn also nur werden, wenn der Mann ein Zauberer war. Und sein Stock mit dem seltsam geformten Ende sprach wahrlich dafür. Trieest verspannte sich. Dann fiel ihm auf, dass vorhin ein Hauch Eara an ihm vorbeigeweht war. Eara war die weiseste Zauberin, die der Feuerkrieger kannte (wenn auch die einzige), und wenn sie hier war und sich nicht um den Blinden sorgte, so musste er das auch nicht. Trieest entspannte sich wieder etwas.

Den Blick auf sein Gegenüber richtend, fiel Trieest auf, dass schon eine Weile lang Schweigen zwischen ihnen beiden herrschte. Der Blinde machte keine Anstalten, das Schweigen zu brechen. Trieest erinnerte sich, dass er eine angedeutete Frage gestellt hatte. Er wollte wohl wissen, warum ein Feuerkrieger sich abseits von Danwar befand. Und Trieest hatte keine Lust, ihm das mitzuteilen. Eigentlich wollte Trieest nichts weiter, als dass Jarid mit einem Zuber voll kalten Wassers zurückkehrte und das Pochen in seiner Brust linderte. Er war müde. Aber er musste sich jetzt wohl um den geheimnisvollen Mann kümmern.
Jarid hätte in einer solchen Situation sicher mit einer Gegenfrage geantwortet – „Wie habt ihr von Danwar erfahren?“ – und bei jeder passenden Gelegenheit nachgebohrt, um an mehr Informationen zu kommen und zugleich das eigene Herausrücken von Informationen zu verhindern. Jarid war geschickt in dieser Kunst. Trieest auch, aber momentan wollte er sich nicht auf solch ein geistiges Gefecht einlassen. Stattdessen beugte er sich etwas nach vorne (er sog scharf Luft ein, als das Pochen in seiner Brust zunahm) und sprach leise, aber bestimmt: „Verzeiht bitte. Es war ein langer Tag, mir tut alles weh und ich will nichts mehr als einfach einzuschlafen und die Welt zu vergessen. Teilen sie mir doch einfach ihr Anliegen mit und dann sehen wir weiter.“
Trieest lehnte sich vorsichtig wieder zurück und hoffte, dass der Blinde seinem Appell folgen würde. Vielleicht war er ein Tulgori? Die Andori hatten erst kürzlich erfahren, dass hinter den Fahlen Bergen ein weiteres Land lag, und seitdem die Eisdämonin, die diese Gipfel gehütet hatte, erschlagen worden war, florierten die Handelsrouten. Mit den Tulgori waren auch einige Temm, kleine gescheite Wichtel, nach Andor gekommen – vielleicht gab es noch mehr humanoide Spezies von dort? Oder war sein Gegenüber doch ein Mensch? Der lange Mantel machte es schwer, viel mehr von ihm zu erkennen als seine Mundpartie.

„Du hast immer noch die Augen des Ungeheuers, das du einst warst“, sprach der Blinde jetzt plötzlich. Das traf Trieest unerwartet. Etwas defensiv warf er zurück: „Woher wisst ihr das?“
„Ich muss es nicht mit meinen eigenen Augen erblicken, um es zu wissen. Ich bin ein Seher.“
Trieest versteifte sich wieder. Ein Seher, das hatte ihm noch gefehlt. Konversationen mit Sehern waren... kompliziert, gelinde gesagt. Oft hatten sie schon im Voraus eine Vorstellung davon, was man sagen wollte, weshalb Gespräche mit ihnen sehr rasch voranschritten und von Thema zu Thema sprangen – anstrengend für alle Beteiligten ausser dem Seher. Oder zumindest war es so beim grantigen Kord gewesen, dem Seher von Danwar.
Die Worte des Sehers hatten ihre Wirkung allerdings nicht verfehlt. Jetzt war Trieests Interesse geweckt. Jetzt wollte auch Trieest Informationen von seinem Gegenüber, nicht nur umgekehrt. Jetzt konnte verhandelt werden.

„Wie lange...?“, begann Trieest. Eine reine Farce, falls der Blinde wirklich ein Seher war, wusste er schon im Voraus, was Trieest von ihm erfahren wollen könnte. Die Frage war vielmehr, was er dafür verlangen könnte. Gold oder Wertsachen? Da gab es hier nicht viel zu holen, Trieest besass nichts von Wert ausser seiner Rüstung und seiner Dornenklinge, die er ganz bestimmt nicht herausrücken würde. Wollte der Fremde Informationen? Der Seher schien schon so viel zu wissen, was könnte Trieest ihm da noch Neues erzählen?
„Darf ich?“, sprach der Blinde und streckte seine Hand nach dem Lavastein aus. Trieest fühlte sich erneut überrumpelt, nickte aber aufgeregt. „Vorsichtig, der Stein ist sehr h...“
Überrascht brach Trieest seine Warnung ab, als der Seher seine Hand auf den Lavastein legte. Der Edelstein leuchtete in vollster Pracht und strahlte solche Wärme aus, dass selbst Jarid etwas Abstand hätte nehmen müssen. Doch diesem blinden Seher schien die Hitze nichts auszumachen, er schien sie sogar zu geniessen. Wie das Licht so durch seine Hand schein, waren seine Fingerknochen deutlich als Schatten unter der dunklen Haut erkennbar. Doch waren da keinerlei Anzeichen von Verbrennungen oder Schmerz.
Stattdessen leuchteten die Augen des Sehers auf, in glühendem Weiss, so hell, dass es selbst durch die dunkle Augenbinde, die er trug, ein klein wenig hindurchschimmerte. Trieest versuchte, so still wie möglich zu sitzen. Dies könnte der Moment sein, der zum Abschluss seines Prozesses des Wandels führte. Heute, hier und jetzt, könnte er Informationen darüber erhalten, wie er die Bürde ablegen konnte. Jetzt musste er nur noch herausfinden, was der Seher verlangen würde, damit er seine Vision preisgab. Er lachte innerlich auf. Noch vor einigen Minuten hatte er nichts lieber gewollt, als dass dieser Mann ihn in Ruhe lassen würde, und jetzt konnte er kaum erwarten, was der Seher berichten würde.
Wie schon gesagt – bei Interaktionen mit Sehern geht alles sehr rasch voran.

„Mutter Natur meint es gut mit dir“, schmunzelte der Seher, „Noch drei Monde, und dann wird Jarid den Stein entfernen können. Das Zeichen, welches den richtige Moment kennzeichnet, habt ihr ja bereits erraten, aber ich bestätige es gerne: Es sind deine Augen, Trieest, die schon so bald eine wunderschöne bernsteinfarbene Iris tragen werden. Damit es soweit kommt, musst du nur noch eine weitere – eine letzte – Prüfung deiner Entscheidungskraft durchstehen.“
Eine Vielzahl von Gefühlen schoss durch Trieest – Erleichterung, Freude und Anspannung. Vergessen war seine Müdigkeit, vergessen waren für einen kurzen Moment sogar seine Schmerzen. Drei Monde! Das war nichts im Vergleich dazu, was hinter ihm lag. Und er Tor hatte sich gefürchtet, dass es doppelt und dreifach so lange dauern hätte dauern können! Eine letzte Prüfung lag noch vor ihm, hatte der Seher behauptet. Worin die wohl bestand?
„Ich kann dir nicht sagen, worin deine Prüfung besteht, aber ich kann dir sagen, wo sie stattfinden wird. Ich sah es vor meinem inneren Auge, so deutlich, wie ich nur selten eine Vision hatte – die Insel Narkon ist es, der du dich stellen musst. Ziehe von Süden her über die Mauerberge. Dort wird der letzte Test auf dich warten. Dann wirst du wissen, worin diese Aufgabe besteht.“
Jetzt war Trieest euphorisch. Er hatte ein Ziel! Narkon! Eine geheimnisvolle Nebelinsel, über die nicht viel bekannt war. Das Ende seiner Tortur war nahe. Danach... er hielt inne. Ja, es gab endlich Aussicht auf ein „danach“ für ihn! Viel von der Welt hatten Jarid und er inzwischen gesehen, vielleicht war es ja nach dem Ablegen seiner Bürde Zeit, sich zur Ruhe zu setzen. Wollten sie nach Danwar zurück? Ihre Freunde und Familie wiedersehen? Oder sich lieber fernhalten, die alten Wunden nicht wieder aufreissen, und ein neues Leben in einem fernen Land beginnen? Er lachte. Egal, wozu sie sich entscheiden würde, es würde grossartig werden. Bald, bald würde er frei sein!
Als Trieest seine Aufmerksamkeit wieder zum Seher wandte, fragte er verwirrt: „Wartet... warum teilt ihr mir das schon alles mit? Was wollt ihr denn für eine Belohnung?“
Aufrichtig lächelnd, sprach der blinde Seher: „Nicht alle Seher verlangen eine Bezahlung. Der Seher von Danwar – ist es immer noch der grantige Kord? – sollte es wahrlich besser wissen!“

Trieest lachte auf. Es war ein wundervoller Tag. Sobald dieser Sturm sich gelegt hatte, konnten Jarid und er in den Wachsamen Wald reisen, um von dort aus ein Händlerschiff nach Sturmtal zu nehmen. Die Taren waren freundlich und ihre Insel lag ganz nahe an Werftheim, was nun wirklich ein Streifenmardersprung von der Silbermine entfernt lag, und vor dort aus würden sie die Mauerberge überqueren, und dann... dann würden sie weitersehen. Trieest war zuversichtlich. Er hatte wieder ein Ziel, einen Sinn. Er war wunschlos glücklich.
Plötzlich flackerte ein Ansatz von Unsicherheit über die Mundpartie des Blinden. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle, drehte sich mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht um und sprach: „Grün sind die Wogen der We...“
„Spar dir das Gefasel“, unterbrach Jarid ihn kalt. Die Wassermagierin war endlich zurückgekehrt, ein grosses Fass in den Armen. Wie lange hatte sie bereits hinter dem Seher gestanden? Als Trieest ihre vor Wut blitzenden Augen sah, wusste er, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Seine Hoffnung schwand.
Jarid ignorierte den Seher und wandte sich direkt an Trieest: „Glaube ihm kein Wort! Das ist ein Lügner der schlimmsten Sorte!“
Trieests Euphorie brach in sich zusammen wie ein Gor, dem man zünftig eins auf den Schädel gehaut hatte. Er kannte Jarid gut genug, um zu wissen, dass sie solche Anschuldigungen nicht leichtfertig machen würde. Und als sein Blick zurück auf den Seher fiel, sah er es in dessen Mimik, unter der Kapuze – ein kurz aufblitzender Anflug von Ärger und Verdruss, aber auch Enttäuschung. Ein Anblick, der Jarids Aussagen Recht zusprach. Der Seher war ein Lügner!
Der Blinde gab sich vergeblich Mühe, seine gute Miene wieder aufzusetzen. Sein Kopf ratterte bestimmt auf Hochtouren, versuchend, eine Möglichkeit zu finden, die Situation wieder zu seinen Gunsten zu wenden. Erfolglos, offenbar, denn der Seher erhob sich zackig, verbeugte sich – fast schon spöttisch – vor der Danware und stürmte überraschend schnell für einen Blinden und ohne zu zögern aus der Taverne hinaus in stürmische, nasse, kalte Nacht. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte Trieest geglaubt, eine Träne über das Gesicht des Sehers geflossen gesehen zu haben, ehe die Tür hinter ihm zuschlug.

Jarid setzte sich vorsichtig neben Trieest und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sie sagte nichts. Trieest blieb ebenfalls ruhig. Still teilten sie gemeinsam seine Trauer, den Verlust einer Hoffnung, die sich so schnell wieder verzogen hatte, wie sie gekommen war. Dann nahm Jarid all ihre Kräfte zusammen und öffnete das Wasserfass, welches ihr Gilda netterweise überlassen hatte. Vorsichtig, um ihre magische Kapazität nicht zu überstrapazieren, führte sie einen dünnen, blau schimmernden Wassersstrang aus dem Fass zu Trieests Lavastein und flocht sorgsam ein abschirmendes Netz um den Edelstein in Trieests Brust. Dieser seufzte auf.
„Woher wusstest du... “ setzte der Feuerkrieger an, doch ein Hustenanfall schüttelte ihn – beinahe wäre Jarids Wassergeflecht gebrochen! – und er schloss den Mund. Jarid hatte ihn verstanden.
In einer etwas zu hohen Stimmlage antwortete Jarid vorsichtig: „Tri, ich habe dir nicht die ganze Wahrheit gesagt.“
Trieest blickte sie stumm an, die orange glühenden Augen ausdruckslos, doch fühlte Jarid, wie er sich wieder verspannte. Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
Ihre nächsten Worte sehr sorgfältig wählend, antwortete Jarid:
„Bevor wir Danwar... verliessen, brachten mich die Ältesten zur roten Grotte.“
Trieest blickte Jarid überrascht an. Diese fuhr stockend fort:
„Dort wurde mir... uns... eine Prophezeiung auf den Weg gegeben. Ich... ich habe dir nichts davon gesagt, weil... weil... ich durfte nicht. Ich darf nicht. Sie sagten, dass du... dass, wenn ich es dir sage... Tri...“
Trieest blickte Jarid noch überraschter an. Es kam nicht oft vor, dass sie die Fassung verlor. Doch jetzt waren Jarids Augen feucht, und auch wenn Trieest wusste, dass sie den Tränen nicht erlauben würde, zu fliessen, so war er doch besorgt. Beim Barte des Warx, was hatte das Orakel Jarid denn gesagt, dass sie solch eine Reaktion zeigte?
Jarid nahm einen tiefen Atemzug, dann hatte sie sich wieder etwas gefasst: „Ich weiss, wo du deinen Prozess des Wandels beenden wirst – und es ist nicht Narkon.“

In einem gemütlichen Zimmer der Taverne hatte Trieest sich auf dem Bett breitgemacht, während Jarid neben ihm sass, immer wieder mal ihren Arm schwenkte und damit eine neue Schicht frischen Wassers über den Lavastein zog. Langsam beruhigte sich Trieests Brust. Jarids Behandlung tat ihm gut. Seine Aufgebrachtheit schwellte mit der aufsteigenden Müdigkeit ab. Das war ein anstrengendes Ende eines anstrengenden Tags gewesen. Jarid hatte vor der Verbannung einen Orakelspruch erhalten, das war die einzige neue Information, die wirklich zählte. Wie lange hätte sie es noch vor ihm verheimlichen wollen? Was war ihr nur gesagt worden, das sie selbst in Gedanken daran so sehr durcheinanderbringen konnte? Natürlich wusste Trieest, dass sie nicht darüber sprechen sollte, ja, nicht darüber sprechen durfte, dass etwas Schreckliches eintreten würde, wenn sie zuviel verriet. Aber ein kleiner Schubs in die richtige Richtung würde sicherlich nicht schaden können. Er wagte sich vor:
„Wie lange wird die Bürde noch mein sein?“
Stille.
„Ist die letzte Prüfung schwer zu meistern?“
Stille.
„Wenn du entscheiden dürftest, wohin wir als nächstes reisen, was würdest du vorschlagen?“
Stille.
„Jarid, so sprich doch!“
Stille.
„Weisst du, wir könnten dennoch nach Narkon aufbrechen.“
„Ich will nichts tun, wozu dich ein lügnerischer Zukunftswisser überreden wollte. Und still jetzt, dein Körper muss genesen.“
„Ich fühle mich schon viel besser, dir zum Dank – nein, bitte nicht aufhören! Ich meine nur: Wenn dieser Blinde wirklich ein Seher war, so werden wir letztendlich ohnehin das tun, zu was er uns bringen wollte. So könnte er etwa deine Reaktion vorhergesehen und den wütenden Abgang gespielt haben, damit wir gerade nicht nach Narkon gehen, obwohl wir das eigentlich sollten.“
„Kein Seher verfügt über derartige Allwissenheit. Das wäre zu viel für einen menschlichen Geist.“
„Nicht mal der grantige Kord?“
„Insbesondere nicht der grantige Kord.“
Stille.
„Wohin willst du als nächstes ziehen, Tri?“
„Könnten wir uns mit Merrik absprechen? Vielleicht gibt es noch ein uns unbekanntes Reich, welches Kartographierung bedürfen könnte.“
„Wenn man den Gerüchten Glauben schenkt, ist Merrik leider kürzlich in den Norden geschifft.“
„Etwa nach Narkon??“
Seufzer.
„Ich bin ja schon still.“
Stille.
„Du, Jarid?“
„Hm?“
„Nach den Berichten der Temm, die ich vernommen habe, klingt Tulgor ziemlich spannend.“
„Dann wird also Tulgor unser nächstes Ziel. Ich werde morgen zum Baum der Lieder springen, um mich von Melkart bei der genauen Wahl des Reisepfads beraten zu lassen.“
„Wundervoll!“
Stille.
„Das kommt schon, Tri. Bleib tapfer.“
„Danke. Du musst den Orakelspruch nicht für dich behalten, das weisst du. Eara könnte dir sicherlich beim Interpretieren helfen. Oder die alte Reka. Die können so was.“
„Ich weiss. Danke.“
Stille.
„Gelb ist die Sonne in der Senke.“ Gute Nacht.
„Und Gelb sind die Blumen in der Blüte.“ Danke gleichfalls.


EDIT aus der Zukunft: Endlich, endlich geht es hier weiter mit Jarid und Trieest! :P
Benutzeravatar
Butterbrotbär
 
Beiträge: 2961
Registriert: 26. Februar 2019, 20:56
Wohnort: Die gemütliche Hütte des Butterbrotbären natürlich^^

VorherigeNächste