von Butterbrotbär » 18. Juli 2019, 22:22
So höret ihr das Märchen vom gestiefelten Streifenmarder (könnte sein, dass mein Gedächtnis ein wenig rostig ist, was die Details angeht):
Es war einmal – zu einer Zeit, als Werftheim noch von einem Dunklen Magier regiert wurde – ein Werftheimer, der sein Brot damit verdiente, Schiffe zu bauen. Dieser alte Herr war mit drei Söhnen gesegnet worden, und als er verstarb, vermachte er seinem ältesten Sohn seinen kleinen Werftbetrieb, welchen dieser weiterführen sollte. Seinem zweitältesten Sohn vererbte er seinen kleinen Kahn, und dieser zog damit in die weite Welt hinaus. Dem jüngsten Sohn hingegen hinterliess er nichts weiter als den kleinen Streifenmarder, welchen er als Haustier gehalten hatte.
Der jüngste Sohn war enttäuscht, sah keinen weiteren Zweck im Streifenmarder und war schon kurz davor, ihn zu braten und für einige Goldstücke zu verkaufen. Doch der Streifenmarder sprach zu ihm: „Wenn du mich leben lässt, und mir deine Stiefel schenkst, damit ich die weite Welt bereisen kann, so sollst du reicher werden, als du es dir je hättest träumen können.“ Und der jüngste Sohn schenkte dem Streifenmarder seine Stiefel, woraufhin dieser von dannen zog.
Der Streifenmarder war geschwind in seinen neuen Stiefeln unterwegs, sammelte Muscheln an den Küsten von Werftheim und brachte diese zu den Silberzwergen im Norden, um sie gegen gutes Gold einzutauschen. Ein Teil dieses Goldes brachte wiederum er dem Seekönig von Varatanien „als grosszügiges Geschenk des edlen Fürsten von Werftheim“. Der Seekönig von Varatanien hatte noch nicht von einem solchen Fürsten gehört, doch da er gerade dabei war, einen geeigneten Gatten für die Seeprinzessin von Varatanien zu finden, liess er ein Schiff in See stechen, um den Fürsten von Werftheim kennenzulernen.
Indes war der gestiefelte Streifenmarder bereits flink wie der Wind nach Werftheim zurückgekehrt, und verteilte den Rest seines Geldes unter den Bewohnern, unter der Bedingung, dass sie dem Seekönig erzählen würden, dass alle ihre Häuser dem „Fürsten von Werftheim“ untertan wären. Dann lief er zum jüngsten Sohn und befahl ihm, seine dreckigen Kleider auszuziehen und sich splitternackt in die tosende See zu werfen. Der jüngste Sohn tat, wie ihm aufgetragen.
Als nun der Seekönig von Varatan sich Werftheim näherte, trat der gestiefelte Streifenmarder zu ihm und sprach: „Seht, böse Piraten haben das edle Schiff des Fürsten gestohlen, ihm alle Kleider geraubt und ihn über Bord geworfen. Dort schwimmt er!“ Und der nackte jüngste Bruder wurde an Bord des Schiffes des Seekönigs gebracht und mit den edelsten seeköniglichen Kleidern ausgestattet.
Doch der Seekönig fragte die Anwohner von Werftheim: „Wem gehören all diese Häuser hier?“ Die Werftheimer antworteten: „Sie sind alle im Besitz des edlen Fürsten von Werftheim.“ Und nun glaubte der Seekönig dem Streifenmarder, dass der jüngste Bruder der Fürst von Werftheim sei.
Der dunkle Magier aber, der Anspruch auf die Insel Werftheim erhob, mochte es gar nicht, dass jemand sich als Fürst seines Herrschaftsgebiets ausgab, und er stützte herab wie ein Raubvogel, um dem gestiefelten Streifenmarder ein Ende zu bereiten. Der gescheite Streifenmarder forderte ihn heraus und spottete: „Du behauptest, der mächtigste Dunkle Magier weit und breit zu sein, doch kannst du dich nicht einmal in einen Würfel verwandeln.“ „Kann ich wohl“, spieh der Dunkle Magier wütend zurück, und verwandelte sich als Demonstration seiner Macht in einen kleinen Würfel. Doch das war ein Fehler gewesen: Der gestiefelte Streifenmarder zögerte keine Sekunde: Er stibitzte den Würfel, und der Dunkle Magier war nicht mehr.
Der Seekönig von Werftheim vermählte daraufhin den jüngsten Sohn als Fürsten von Werftheim mit seiner Tochter, der Seeprinzessin, und als der Seekönig starb, wurde der jüngste Sohn der nächste Seekönig von Varatanien. Und der gestiefelte Streifenmarder ward sein engster Ratgeber. Die Moral von der Geschicht – die kenn’ ich wirklich nicht. Doch wenn sie alle nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.