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Bird's Legenden von Andor - Prolog

Bird's Legenden von Andor - Prolog

Beitragvon Bird » 9. September 2017, 08:59

Seid gegrüßt, mein Name ist Bird. Manche nennen mich Bird, den Geschichtenerzähler, denn genau das pflege ich zu tun.
Ich komme aus einem fernen Land, doch bereise ich schon eine Weile das Land Andor. Auch in meiner Heimat sind die Legenden von Andor gern gehörte Geschichten, doch habe ich auf meinen Reisen erkannt, dass die Geschichten hierzulande anders erzählt werden. So habe ich beschlossen, hier in der Taverne Zum Trunkenen Troll wann immer es mir möglich ist, zu erzählen, wie die Legenden in meiner Heimat erzählt werden. Ich muss zugeben, dass sie sich in einigen Ausführungen sogar erheblich von den hier üblichen Erzählungen abheben. Auch die Geschichten der Erzählerin Stefanie Schmitt, die hier oft unter dem Titel "Das Lied Des Königs" erzählt werden, sind in meinem Land unbekannt. Ich hoffe, dass ich mit meinen Geschichten nicht gegen das Gastrecht in diesem Haus verstoße und falls doch, bitte ich Gilda, mir das mitzuteilen und ich ziehe augenblicklich meiner Wege. Da ich jedoch nicht nach Reichtum strebe und nur für Logis in der Taverne erzähle, stört sich hoffentlich niemand an meiner Anwesenheit.
Doch nun genug des Herumredens, hier beginnt die Legende von Andor, wie sie in meiner Heimat erzählt wird.

[b]Die Legenden von Andor[/b]

Prolog

Brandur war erschöpft. Vor drei Tagen waren sie in aller Hast aufgebrochen und waren auf der Alten Zwergenstraße in Richtung Norden gezogen. Doch niemand hatte die Strapazen einer Flucht abschätzen können. Nicht einmal Reka, die ihn so gedrängt hatte, diejenigen Ambacus, die seinen Worten vertrauten, zu versammeln und zu fliehen. Ambacus, in der Sprache der Krahder bedeutete es „die ohne Freiheit“ und das waren sie gewesen, Sklaven.
Alle hätten sie ihr Leben gegeben, um der Knechtschaft zu entkommen und nun standen sie hier, inmitten des Grauen Gebirges, eine Schar von knapp eintausend Männern, Frauen und Kindern.

Zwei Tagesmärsche hatten sie gebraucht, um das Gebirge zu erreichen. Zwei Tage ohne wirkliche Rast. Und allgegenwärtig war die Angst, die Angst, dass die Krahder Verfolger schicken würden und diese ihren langsamen Zug einholen, ergreifen und zurück bringen würden.
„Glaubst du sie kommen?“ fragte Brandur. Reka und er standen einige Schritt abseits der anderen, er fürchtete sich vor Rekas Antwort, versuchte aber den anderen gegenüber so zuversichtlich wie möglich zu wirken. Außer Reka, sie würde ohnehin immer wissen, was er dachte. „Wenn sie es tun, sind wir chancenlos, wir sind zu langsam und unbewaffnet. Doch wenn sie uns verfolgen würden, hätten sie uns dann nicht schon längst eingeholt? Es waren so viele, die uns nicht folgen wollten, die nicht an ein besseres Leben geglaubt haben, vielleicht sind wir es nicht wert, gejagt zu werden.“ Rekas Antwort ließ in Brandur ein wenig Hoffnung aufkeimen.
Zumindest bis sie fortfuhr: „Nur sind wir jetzt wirklich besser dran? Wenn wir nicht bald rasten können, werden wir die ersten verlieren. Schau dich um, wir alle sind erschöpft, unsere Vorräte gehen zur Neige. Noch einen Tag, vielleicht zwei, dann haben wir nichts mehr zu essen.“
Brandur dachte nach, Reka war überzeugt gewesen dass sie es schaffen konnten. Sie habe eine Traumsicht von einem Leben in Freiheit gehabt, ein Leben jenseits des Gebirges, hatte sie gesagt. Nur wie sie dorthin gelangen sollten, hatte ihre Vorahnung ihr wohl nicht mitgeteilt.
In der Nacht hatten sie das Graue Gebirge erreicht und hatten einen Gebirgspass nach Norden gewählt, doch niemand wusste, ob sie sich auf dem richtigen Weg befanden und wie weit ihr Ziel noch entfernt war. „Du hast recht. Sie müssten uns bereits eingeholt haben. Wir werden hier für ein paar Stunden rasten. Havon!“ er winkte einen großen, dunkelhaarigen Mann heran. „Sag den anderen sie sollen sich ausruhen und stärken, in drei Stunden müssen wir weiter.“ Havon nickte und entfernte sich.

Leben. Fleisch. Wärme. Zwerge? Nein, kein Metall... Tarok schnupperte erneut. Menschen! Was taten Menschen hier? Hier war sein Reich! Sein Kra-hall! Hier durfte niemand sonst sein!
Tarok entrollte langsam seinen mächtigen Körper, seine Nüstern blähten sich und seine Ohren zuckten. So viele Menschen! Sie durften sein Reich nicht betreten! Die Menschen vom Großen Baum blieben ihm fern und auch die Zwerge aus den Höhlen mieden ihn. Also warum drang nun ein so großer Schwarm in sein Reich ein?
Tarok entfaltete seine riesigen Schwingen und stieß ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, das von den Felsen widerhallte. Mit einem Satz erhob er sich in Luft. Er würde dafür sorgen, dass kein Mensch, kein Zwerg, kein Riese oder Troll seinem Kra-hall zu nahe kam!


„Was war das?“ Brandur fuhr hoch, in der einen Hand einen knorrigen Stock, in der anderen einen faustgroßen Stein, den Arm erhoben, bereit zum Wurf. „Der wird dir kaum von nutzen sein“ wie üblich zeigte Reka kaum eine Gefühlsregung, nur wer sie, wie Brandur, besser kannte, konnte ihre Besorgnis erkennen. Brandur blickte sie verwirrt an, einen Moment später hörte er ein Rauschen hinter sich. Er wandte sich um, das Rauschen schwoll an und ein Schatten verdeckte für einen Moment die untergehende Sonne, die den Himmel in rötlichen Schimmer tauchte. Ein dumpfer Aufschlag von gewaltigen, klauenbesetzten Pfoten und dann entsetzte Schreie seiner Ambacus.
Ein furchterregendes Geschöpf war vor Brandur gelandet. Der schwarz-braune Kopf mit armlangen, gewiss messerscharfen Zähnen saß auf einem langem, schlangenhaftem Hals, sein Körperbau ähnelte dem eines Kampfhundes, nur fast sechs Schritt hoch und mit schwarzen Schuppen übersät. Augen und Brust der Kreatur leuchten feuerrot und die gigantischen, ledrigen Flügel waren drohend ausgebreitet.
„Warmblüter haben kein Recht hier zu sein.“ hörte Brandur eine leise Stimme in seinen Gedanken sagen. Das Wesen, ein Drache, da war er sich nun sicher, sprach direkt zu seinen Gedanken und nach den Gesichtern der anderen zu urteilen, auch zu den Ihren. „Der Kra-hall muss beschützt werden, ihr könnt nicht weiter.“ die Stimme in Brandurs Kopf bekam einen drohenden Unterton. „Kehrt um oder brennt!“
Brandurs Gedanken rasten, sie konnten nicht zurück, nicht wieder in die Hände der Krahder. Der Drache schien nicht bösartig, eher aggressiv wie ein Raubtier, das man in seiner Höhle überrascht hatte. Der Kra-hall muss beschützt werden hatte der Drache gesagt, was immer das bedeuten mochte. „Wir können nicht umkehren!“ rief Brandur der Kreatur entgegen „Gefangenschaft und Tod liegen hinter uns! Doch wir wollen dir und deinem Kra-hall nichts tun!“ nicht dass sie diesem Wesen tatsächlich etwas hätten tun können. Ebenso wenig wusste Brandur was es mit „Kra-hall“ meinte, doch was auch immer das war, es schien dem Drachen wichtig zu sein.
„Warmblütern nützt der Kra-hall nichts! Warmblüter verstehen den Kra-hall nicht! Der Kra-hall ist das Geschenk an die Drachen und an die Drachen allein!“ das Wesen bäumte sich bei diesen Worten auf, streckte den Kopf nach oben und ein Feuerstrahl schoss gen Himmel. „Ich bin Tarok, letzter der Drachen!“ dröhnte die Stimme in Brandurs Kopf „Das sind meine Berge, meine Felsen, ihr werdet mein Reich nicht durchqueren!“
Die Worte des Drachen klangen in Brandurs Ohren nach. Er blickte hinüber zu seinen Begleitern, Panik machte sich in der Gruppe breit. Einige schrien, andere warfen sich zu Boden, doch die meisten rannten blind vor Angst los, ineinander und übereinander. Brandur zitterte vor Enttäuschung, Wut und Angst. So weit waren sie gekommen, den Ketten ihrer Unterdrücker entkommen, hatten das Gebirge erreicht und so weit durchschritten, und nun würde ihre Befreiung an diesem Wesen scheitern? So würden sie sterben? In Panik die eigenen Freunde, Brüder und Schwestern totgetreten und die Übrigen im Feuersturm verbrannt? Nein, das konnte er nicht zulassen!
Ohne wirklich zu wissen was er tat, trat Brandur vor, er straffte seine Schultern und hielt den knorrigen Stock hoch erhoben. „Du wirst uns nicht vernichten!“ polterte er dem Drachen entgegen. „Wir haben unsere Ketten nicht durchbrochen und sind unter Qualen durch die Höllen gezogen, den Tod immer als steten Verfolger, um nun von dir ausgelöscht zu werden!“ mit jedem Wort trat er näher an Tarok heran. Die übrigen Ambacus waren still geworden, alle Augen richteten sich auf ihn und den Drachen. „Du wirst uns passieren lassen! Du wirst meinen Leuten nichts tun!“
Brandur stand nun direkt vor dem Ungeheuer, sein Kopf reichte gerade einmal bis zu den gewaltigen Knien des Drachen, doch mit dem Mut der Verzweiflung sprach er weiter. Wenn dies das Ende war, war er es denen, die an ihn geglaubt hatten, schuldig alles getan zu haben und sie zumindest nicht in gänzlicher Hoffnungslosigkeit sterben zu lassen.
Doch zu seiner Verwunderung endete sein Leben nicht in diesem Moment in Flammen und Tod, denn der Drache stutzte...

Überrascht blinzelte Tarok und legte den Kopf schief. Dieses kleine Wesen, dieser winzige Mensch wagte es ihm zu trotzen? Dieser hier verströmte nicht den Geruch von Angst wie die anderen. Dieser hier trat ihm allein entgegen, obwohl Tarok sein Leben in nur einem Augenblick auslöschen konnte? Taroks Verwirrung wandelte sich in ein Gefühl, das er seit den großen Kriegen gegen die Unterirdischen nicht mehr verspürt hatte, Furcht. Ein Anflug von Furcht ergriff seine Gedanken, als er den Menschen vor ihm einfach mit einer Pranke zermalmen wollte und bemerkte, dass ihm sein Körper nicht gehorchen wollte.
Tarok war wie gelähmt, seine Pranke wollte sich nicht zum tödlichen Stoß anheben lassen. Dann eben das Feuer, dachte er, er würde diesem Menschen den Flammentod bringen und allen seines Schwarms, die nicht ihm nicht schnell genug entkommen würden. Doch auch als Tarok seinen Feueratem zu beschwören versuchte, gelang es ihm nicht.
Das war unmöglich!Tarok konnte es sich nicht erklären, doch dieser Mensch lähmte seine Kräfte, beraubte ihn seiner Macht! Niemand trotzte Tarok, dem letzten der Drachen, von Menschen, Zwergen, Riesen und Trollen gefürchtet und doch stand hier einer, den er nicht zu töten vermochte! Tarok wich einen Schritt zurück, hier gehorchten ihm seine Beine, er versuchte erneut Feuer zu speien und mit seinen Klauen zuzuschlagen, doch wieder lähmte ihn eine unbekannte Kraft. Seine Furcht wuchs und er trat noch einen Schritt zurück und der Mensch folgte ihm. Er blickte Tarok fest in die Augen, sein Blick war entschlossen und unerbittlich. Seinen winzigen Stock hoch erhoben, trieb er Tarok immer weiter zurück, was für eine Magie war das?
Plötzlich stieß Tarok mit der Spitze seines Schwanzes gegen einen Felsen. Er stand mit dem Rücken zur Wand, doch der Mensch kam weiter auf ihn zu! Tarok spürte wie seine Knie nachgaben und er sank zu Boden, unfähig sich zu bewegen.

Brandur konnte nicht glauben, was er gerade sah. Ein gigantischer Drache wich vor ihm zurück! Wie in Trance setzte Brandur einen Fuß vor den anderen, immer hielt er Blickkontakt zu diesen rot glühenden Augen, in denen Furcht und Hass brannten.
Als er den Drachen schließlich an die Wand gedrängt hatte, schrie er zu den anderen hinüber: „Lauft! Lauft so schnell ihr könnt! Folgt Reka, sie weiß, welchen Weg wir nehmen müssen!“ das war zwar gelogen, Reka hat ihm gegenüber zugegeben, dass sie den Weg nicht kannte, schließlich war auch sie nie außerhalb von Krahd gewesen, doch wenn jemand jetzt die Ruhe bewahren konnte, dann war es wohl Reka.
Seine Begleiter setzten sich in Bewegung, schneller als er es von einer so großen Gruppe erwartet hätte, und verschwanden in den Bergen. Brandur blieb noch einige Augenblicke stehen, seine Augen schienen die des Drachen zu durchbohren, bis er die Arme sinken ließ, sich umwandte und dem Zug von ehemaligen Ambacus auf dem Weg in ihre Freiheit folgte.

Allmählich erwachte Tarok aus seiner Starre. Langsam, ganz langsam, als hatte er sich jahrelang nicht bewegt, richtete er sich auf. Verrat! Dunkle Magie! Hexerei! So etwas hatte er noch nicht erlebt. Dieser Mensch hatte etwas an sich gehabt. Etwas, das ihm völlig unbekannt war. Er musste zurück zum Kra-hall! Die Menschen waren fort, doch vielleicht würde er dort Antworten finden. Tarok erhob sich wieder in die Luft, er flog direkt zu dem Ort, den er als Drachenhort auserwählt hatte, da hier die Verbindung zum Kra-hall am stärksten war.
Mit seinem Geist drang er in den Kra-hall ein und ließ sein Bewusstsein durch dessen Unendlichkeit treiben. Er würde schon herausfinden, was vorhin mit ihm geschehen war.

Niemand, weder Tarok, dessen Gedanken und Gefühle nun eins mit dem Kra-hall waren, noch Brandurs Gruppe, die schon weiter gezogen waren und nun am Horizont Wälder, Wiesen und Flüsse erblickten, konnten die Gestalt sehen, die sich auf dem Berg über Taroks Drachenhort zu manifestieren schien.
Ein junger Mann war dort aufgetaucht und murmelte unablässig vor sich hin, die Kapuze, die tief in sein Gesicht gezogen war, ließ nur einen schwarzen Kinnbart erkennen und er hielt einen Stab aus dunklem Holz in der Hand. Und so sah auch niemand, dass sich von dem Stab auf einmal schwarzer Nebel zu lösen schien und sich über den Drachenhort legte, um dann zu verschwinden.
Der Mund des Mannes verzog sich zu einem Lächeln und so plötzlich, wie er aufgetaucht war, verschwand er wieder...

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Re: Bird's Legenden von Andor - Prolog

Beitragvon Narrator » 9. September 2017, 10:37

Hallo Bird,
"Geschichtenerzähler" ist ehrlich gesagt zu bescheiden. WOW! Hast du schon mal drüber nachgedacht, eine Legende zu schreiben, so mit richtig viel Text? Das wäre genial! Andererseits sind meine Versuche meist kläglich gescheitert, ich kanns also sehr gut verstehen, wenn das eher nichts wird ;)
Ich hoffe, wir bekommen bald eine Fortsetzung zu lesen. Der letzte Absatz macht nämlich seeeehr neugierig.
Liebe (und erwartungsvolle) Grüße
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Re: Bird's Legenden von Andor - Prolog

Beitragvon Kar éVarin » 10. September 2017, 05:56

Hallo Bird!
Ich schließ mich voll und ganz meinem Vorredner an, ich biin sehr gespannt, wie's weiter geht!
Viele Grüße
Boggart
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Re: Bird's Legenden von Andor - Prolog

Beitragvon Tamarinde » 3. Oktober 2017, 17:06

Danke für den tollen Prolog. Ich lese sofort beim 1. Kapitel weiter... ;)
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Re: Bird's Legenden von Andor - Prolog

Beitragvon Luis » 4. Dezember 2017, 19:46

Spaaaaaannend!!! Ich schreibe ja selber (als Hobby) und muss sagen, dass ich den Prolog echt gut finde. Ich habe mir bis jetzt noch keine Zeit genommen das zu lesen, aber zum Glück habe ich es jetzt gemacht. Weiter so! :)

Luis

Ps: Schreibst du auch andere Sachen (kein Andor)?
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